Ende in Lachen (UA)

Landestheater Schwaben (2023)

Eine schwarze Komödie von Nora Schüssler

Mit Tom Christopher Büning, Almut Kohnle, Mirjam Smejkal, André Stuchlik, Milena Weber

Regie: Stephan Rumphorst

Ausstattung: Ines Naufal, Stephan Rumphorst

Dramaturgie: Alexander May

Photos: Monika Forster

 

Pressestimmen

„Not ohne Tugend - Was passiert, wenn das Familienoberhaupt plötzlich zum Pflegefall wird? (…) Und wie lässt sich ein solches Thema kritisch, unterhaltsam, würdevoll, trotzdem theatral umsetzen? (…) Nora Schüssler hat ein Kammerspiel geliefert, fein nuanciert und dramaturgisch geschickt aufgebaut. Im Zentrum steht Familienoberhaupt und Brauereibesitzer Bonifazius Bengele, tyrannisch, machtbewusst, jede Schwäche verdrängend. Als er eines Tages stürzt und ins Krankenhaus muss, wird bei ihm Parkinson diagnostiziert. Von da an geht es bergab. Auf dem Weg seines zunehmenden Verfalls begleiten ihn seine zweite, deutlich jüngere Frau Maria und seine erwachsenen Kinder Ferdi und Leni. Ferdi versucht die Brauerei zu retten, die sein Vater ihm partout nicht überlassen will. Streit ist an der Tagesordnung. Bonifazius' Liebling ist Leni, deren Erdenmittelpunkt allerdings sie selbst ist. Die Konflikte schaukeln sich hoch, bis schließlich alles kollabiert. Es geht nicht um die ökonomischen Probleme.

Schüssler hat mit "Ende in Lachen" das Pflege-Problem nicht in die Durchschnittsfamilie verlegt, es geht ihr nicht um die ökonomisch oft schwierige Seite, sondern um das Emotionale, auch um Tradition, verkrustete Hierarchien, um Überforderung und auch darum, wie wenig man auf diese Entwicklung vorbereitet ist. Dazu hat sie den Figuren Raum zur Entwicklung gelassen. In der Grundkonstellation einer Familie findet sie genug Konfliktpotenzial, das sich mit der Pflegethematik explosiv zünden lässt.

In Memmingen setzt Regisseur Stephan Rumphorst darauf, die Situation zu verschärfen, die Figuren eindeutiger auszulegen und ein wenig Vorabendserien-Dramatik einzubauen. André Stuchliks Patriarch gehört in die Kategorie Serienfiesling, dem Mirjam Smejkal eine geschmeidige Frau an die Seite stellt. Ihr verfällt - unnötiger Seitenstrang - Sohn Ferdi, weich gezeichnet von Tom Christopher Büning. Die Intrigantin, die es in solcherlei Konstellationen braucht, ist Tochter Leni, herrlich egozentrisch ausgedeutet von Almut Kohnle.

Trotz all dieser Zuspitzungen auf der großartigen Baukasten-Bühne von Inés Diaz Naufal verplätschert der Abend nicht im Ungefähren. Die Thematik verfängt, weil das Bühnengeschehen in vielen kleinen Szenen eine wahrscheinliche Familiensituation beschreibt, das Publikum konfrontiert, eine Auseinandersetzung einfordert. Genau dies tun die anderen Abende zur Pflege im Alter auch. Sie nutzen die Kraft der Bühne, um unübersehbar zu machen, was zu lange schon verdrängt wurde. Dafür ist es wohl an der Zeit.“

Süddeutsche

"Krankheit und körperlicher Verfall können das Altern bitter machen. Wenn Empathie und Verständnis unter den Betroffenen fehlen, wird es noch bitterer. Die Uraufführung von Nora Schüsslers Theaterstück ‚Ende in Lachen‘ mutet dem Publikum beides zu. Die Geschichte des Auftragswerks für das Landestheater Schwaben endet nicht mit einem Lachen, sondern mit grimmigem Triumphieren über die zentrale Figur, den jähzornigen, überheblichen Brauereibesitzer Bonifazius Bengele, der sich bis zuletzt an seine Macht klammert. André Stuchlik verkörpert ihn mit Wucht und zeichnet seinen körperlichen Niedergang erschütternd nach.

Lachen ist auch der kleine Ort, der ein Pflegeheim besitzt. Da, wo einst sein Vater sein Lebensende verbrachte, will der 68-jährige Brauereibesitzer Bengele auf keinen Fall hin. Bei der 50-Jahr-Feier seines Unternehmens verblüfft er alle mit der Absicht, seinen Betrieb weiter zu leiten und ihn nicht wie besprochen an Sohn Ferdinand zu übergeben. Eine tiefe Demütigung für den Sohn vor versammelter Belegschaft. Im kleinen Kreis der Familie zeigt sich Bengele als unerbittlicher Patriarch, der allein bestimmt, was Sinn macht und was nicht. Doch nach mehreren Stürzen, die ihm die Diagnose Parkinson einbringen und letztlich an den Rollstuhl fesseln, kommt das gewaltsam zusammengehaltene Familiengefüge ins Wanken. Seine zweite Ehefrau Maria gerät mit der Pflege an ihre Grenzen, Sohn Ferdinand reibt sich an der Verweigerung des Vaters auf, ihm Vollmachten zu übertragen. Nur Tochter Lena hat einen Bonus bei ihm, den sie weidlich für ihren eigenen Vorteil ausnutzt: Sie treibt den Verkauf des Familienbetriebes voran.

Zwar ist das Stück laut Autorin als Komödie angelegt, doch bei so viel Feindseligkeit kommt sie nicht in Schwung. In einem wortkargen, frostigen Essensritual inszeniert Regisseur Stephan Rumphorst präzise die unausgesprochenen Spannungen und die unterdrückte Kommunikation. Miriam Smejkal (zweite Ehefrau), Tom Christopher Büning (Ferdinand) und Almut Kohnle (Lena) setzen es schmerzhaft eindringlich um. Dem fast zweistündigen Abend hätte es gutgetan, das gemeinsame Essen nicht viermal zu wiederholen. Zumal dazwischen nur eine Variation der Figuren stattfindet und keine Vertiefung.

Die bittere Tyrannei in der Familie fängt der Regisseur durch heiter-ironische Zwischenmusik auf, in der die Darsteller Szenen selbst umbauen. Mit süffisanter Eleganz agiert Milena Weber, die ihren fünf Nebenrollen klare Profile verleiht. Überzeugendes liefert Bühnenbildnerin Vita Inéz Díaz Naufal aus Mexiko: Eine verschachtelte Treppe mit Unterbauten ermöglicht es, spielerisch auf der Bühne Bierzelt, Esszimmer, Schlafzimmer oder Krankenstation anzudeuten.
Nach verhaltenem Applaus gab es viel Beifall für die Leistung der Schauspieler, allen voran für André Stuchlik, der drei Stürze von der Treppe sensationell meisterte. Er beeindruckte mit der Darstellung zunehmender körperlicher Einschränkung, auch wenn man für seine verbohrte Figur jegliches Mitleid verloren hatte."

Allgäuer Zeitung

„Feinfühlig und sensibel auf der einen, schonungslos und mit schwarzem Humor versehen auf der anderen Seite, so näherten sich Regisseur Stephan Rumphorst und Autorin Nora Schüssler dem nicht immer leichten Thema ‚Älterwerden‘. Ein heiteres Schauspiel oder gar eine Komödie wie ursprünglich vorgesehen, das war ‚Ende in Lachen‘ gewiss nicht. Gleichwohl konnte das Ensemble die Gäste in der ausverkauften Premiere fesseln und begeistern. Statt Komödie gab es einfühlsames und zugleich kritisches Schauspiel über das Älterwerden, den körperlichen und geistigen Verfall sowie die menschenfeindlichen Machtstrukturen in der vielgelobten Keimzelle unserer Gesellschaft – der Familie. (…) Ein sehr gelungener Richtungswechsel darf man dabei feststellen, geschuldet nicht nur der Empathie von Autorin und Regisseur, sondern auch der wunderbaren schauspielerischen Leistung der Akteure. Ausnahmsweise darf die Darbietung von André Stuchlik (…) besonders hervorgehoben werden.“

Memminger Kurier

"Es sind immer die gleichen Zirkel - Bewegende Uraufführung von "Ende in Lachen" im LTS
Eine Uraufführung, ganz in der Tradition des Landestheaters Schwabens. Ein Stück über ein Thema, das uns alle betrifft – Älterwerden. Ein Stück, das auch an die Nieren geht. Das regional gesetzte Stück „Ende in Lachen“ feierte mit gleichermaßen humorvollen, makabren sowie schockierenden Momenten Premiere.
„Ende in Lachen“ ist nicht nur ein Stück über das Älterwerden. Es eröffnet viele Themenfelder und bleibt dabei doch in einem einzigen Familiensystem. (…) Bei Familienessen im Laufe des Stückes mit dem immer gleichen Ablauf wird viel geschwiegen. Gefühle und Nähe haben scheinbar keinen Platz. Die Familie spielt das Spiel lange so weiter, bis auf der Bühne schließlich nur noch ein großer Haufen Dinge, ein großer Haufen des Lebens übrig bleibt – und nichts nach Plan gelaufen ist. (…)

Mit großem Applaus wurde dieses herausragend inszenierte und gespielte Stück gefeiert. Ein Stück, das uns als Gesellschaft auch den Spiegel vorhält. Auf feine und humorvolle Weise wird untersucht und beschrieben, was geschieht, wenn eine scheinbar sorglose und finanziell gut gestellte Familie in Schieflage gerät. Beeindruckend ist dabei auch das multifunktionale Bühnenbild, das mal Bierzelt, mal Wohnküche, mal Schlafzimmer, mal Krankenhaus darstellt."

Die Lokale - Memmingen

„Das Stück am Landestheater Schwaben erzählt die Geschichte eines mächtigen Patriarchen, der plötzlich zum Pflegefall wird. Und von seiner Familie, in deren Lebensentwürfe das so gar nicht passen will. Am Anfang war der Sturz. Mitten auf der Bühne steht eine Treppe, von der Bonifazius Bengele runterfallen wird. Was für ihn den Anfang seines Ablebens einläutet, ist für das Publikum der Beginn eines Theaterabends, der noch nachhallen wird.
Bonifazius Bengele ist ein alter, konservativer Brauereibesitzer, dessen Verständnis der Welt sich nach seinem Unfall verändert bzw. verändern muss. Denn viele Verhältnisse, die er durch seine Privilegien als selbstverständlich angesehen hat, kommen jetzt ins bröckeln. Die Münchner Autorin Nora Schüssler hat das Stück geschrieben. In der Figur des Bonifazius Bengeles spiegelt sie unser heutiges Verständnis eines alten weißen Mannes wieder, sagt sie :"Es geht um Macht und es geht darum, was macht Macht mit den Menschen? Und was passiert, wenn diese Menschen die Macht verlieren? Und tatsächlich ist es ja so, dass der weiße alte Mann auch in unserer Gesellschaft immer noch die Macht hat." Bonifazius Bengele hat als Familienoberhaupt und Leiter der Brauerei viel Macht. Und den Glauben, dass diese Strukturen niemals ins Wanken geraten werden. Aber der Unfall ändert das. Da ist die Tochter, die die Brauerei nicht übernehmen will und schwanger wird. Sein alkoholkranker Sohn. Und seine Frau, die gern Volleyball spielt und ganz eigene Vorstellungen von ihrem Leben hat. In keinen der drei Lebensentwürfe passt ein pflegebedürftiger Mann und Vater. Wer leistet schon freiwillig Care-Arbeit?
Wie funktionieren Beziehungen in einer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft? Wo bleibt das Zwischenmenschliche? Das versucht „Ende in Lachen“ aufzudröseln, anhand eines konkreten Familien-Beispiels. Beziehungen stehen nicht mehr im Vordergrund. Wer alt ist oder nicht mehr kann, wird zur Seite geschoben. Schließlich muss man selber im System funktionieren. Das Leben muss weitergehen. So beschreibt es die Autorin Nora Schüssler: "Ich wollte auf gar keinen Fall ein didaktisches Stück schreiben oder ein Stück mit moralisch erhobenem Zeigefinger. So von wegen 'Wir gehen so schlecht mit den Menschen um, die wir pflegen müssen.' Weil ja, das tun wir und wir wissen es alle und tun es trotzdem. Deswegen fand ich viel interessanter zu fragen: „Warum tun wir es denn?“ Und ich glaube wir tun es, weil das systemimmanent ist."

Passend zum satirischen Stück spielt die Geschichte in Lachen, einer Gemeinde im Landkreis Unterallgäu. Natürlich kein Zufall. Es darf freilich auch gelacht werden. Aber eigentlich ist das Ganze eine bierernste Angelegenheit.“ Aylin Dogan, BR

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